Homiletikkurs. Ein Text Vikarin Kristin Sommerschuh:
PROLOG
Warum musste es Club Mate sein?
„Scheiße meiner, nu mache, ich hab keen Bock mehr hier!“ Hektisch versucht er es nochmal, steckt die Flasche wieder in den Pfandautomaten vorm Rewe. Doch der Automat spuckt die Flasche wieder aus. Er versucht es wieder – wieder erfolglos. Dann reicht es ihm, er stampft wütend mit dem Fuß auf, nochmal „Scheiße meiner, ey.“ Er dreht sich rum und schaut mir direkt ins Gesicht, gerade bin ich noch dabei, meinen kleinen Einkauf in meinem Rucksack zu verstauen. „Das ist scheiße hier, nüscht geht hier mehr in diesem Land.“ Er, ein Mann unbestimmbaren Alters (alles zwischen 30 und 50 erscheint mir möglich), nicht sehr groß, die Haut über und über von Tattoos bedeckt, sein Oberteil ziert in Fraktur das Wort „Ostdeutschland“, auf seinen Hosen bellt den Betrachter der Amstaff-Staffordterrier an, alles schreit „bleib weg von mir“. Oder wie er vielleicht sagen würde „passe bloß uff meiner“. Wütend rauscht er davon und auch ich setze meinen Weg fort, denn jetzt will ich eigentlich beobachten gehen.
Als ich die Juristenstraße entlangschlendere, denn eigentlich hatte ich mir vorgenommen, auf dem Parkplatz zu beobachten, sehe ich ihn vor der KiTa stehen. „Passe bloß uff meiner“ wartet vor der Tür, ich will eigentlich einfach nur vorbeigehen, weiter zum Parkplatz. Da ruft er mir hinter „du warst nicht jemeent mit Scheiße“. Ich bleibe nun doch stehen, will ihm eigentlich nur kurz zunicken, gemeint gefühlt hatte ich mich in keiner Weise vorm Pfandautomaten. „Passe bloß uff meiner“ spricht weiter, dass ihn sowas so fertig macht, wenn es nicht, er sei nicht der Geduldigste. Ich antworte ihm, dass ich mich auch sehr ärgere, wenn das nicht funktioniert mit dem Pfandautomaten. „Passe bloß uff meiner“ will noch etwas sagen, aber da geht die Tür der KiTa Buddelflink auf und ein kleines Kind stürmt auf ihn zu. Er hebt es hoch, wirbelt es herum. „Passe bloß uff meiner“ ist schlagartig ein anderer, der Staffordterrier auf dem Hosenbein hört auf zu bellen und auch der beeindruckende Totenkopf auf seinem Unterarm lächelt plötzlich milde.
EPILOG
Lieber „Passe bloß uff meiner“,
„Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ (1. Sam 16,7) Von außen sah ich nur Tattoos, Wut, Härte. Aber in deinem Herzen wohnt mehr – Liebe, Fürsorge, Lebendigkeit. Gott sieht das, auch wenn andere es vielleicht übersehen.
Vorhin habe ich dich erlebt in einem Moment des Zorns, als der Automat dir die Flasche nicht annehmen wollte. Ich habe deine Wut gespürt, deine Ungeduld, deine Verzweiflung über Dinge, die nicht funktionieren. Und dann habe ich dich gesehen, wie du dein Kind in die Arme genommen hast, voller Freude und Wärme. In diesem Augenblick hat sich dein Bild völlig verändert: Aus Härte wurde Zärtlichkeit, aus Abwehr Vertrauen.
Ich wünsche dir, dass du selbst immer wieder diese andere Seite von dir spüren kannst – nicht nur im Augenblick mit deinem Kind, sondern auch dann, wenn du mal wieder das Gefühl hast, dass nüscht mehr geht hier in diesem Land.“
Gottes Segen für dich und dein Kind, passe uff dich uff, meiner!

